Schussangst bei Hunden ist ein weit verbreitet, die Tierärzte können regelmäßig zu Silvester ein Lied davon singen. Anstatt mit einen Gegenkonditionierung zu beginnen, wird häufig der scheinbar einfachere Weg gegangen und versucht mittels Tabletten die Angst beim Hund zu bekämpfen. Leider ist dies jedoch nur in den seltensten Fällen von Erfolg gekrönt, im Gegenteil meist tritt eine extreme Verstärkung der Angstzustände beim Hund auf. Oftmals sogar bis hin zu sehr starken Panikreaktionen, bei denen der Hund nur noch flüchtig und absolut nicht mehr ansprechbar ist. Beruhigungsmittel führen zwar zu einer Dämpfung des Angstzustandes, müssen jedoch sehr gezielt eingesetzt werden, wobei den meisten Tierärzten die notwendige Erfahrung fehlt. So kommt es unter dem Einfluss der Beruhigungsmittel lediglich zu einem apathischem Verhalten des Hundes, oder aber die gewünschte Wirkung bleibt vollends aus.
Dabei ist es relativ einfach derartige Ängste beim Hund zu eliminieren - allerdings braucht auch dies die notwendige Geduld, entsprechende Vorbereitung und den notwendigen Zeitrahmen.
Schussangst beim Hund ist grundsätzlich eine irreale Angst, deren Ursache für den Hundebsitzer oftmals nicht konkret nachvollziehbar ist. Man weiß nicht einmal wann sie erstmals auftrat. Uns selber wird die Angst des Hundes erst bewußt, wenn sie schon entsprechend stark ausgeprägt ist. Bei Hunden mit denen auf einem Hundeplatz gearbeitet wird, ist es zumindest nachvollziehbarer wann der Hund mit Anst reagierte. Bei diesen Hunden tritt oft eine Verstärkung der Angstzustände mit der Fortdauer des Hundeplatzbetriebes auf. Dies kann soweit gehen, daß der Hund bereits darauf reagiert wenn der Arm des Schießenden hinter den Rücken gehalten wird. Warum dies so ist, ist recht logisch. Da der Ablauf der Übungen immer der gleiche ist, werden bereits andere Signale, wie z.B. das Abliegen, bereits zum Auslöser der Angst.
Bei anderen Hunden, die lediglich auf Fehlzündungen oder aber Silvester reagieren, verstärkt sich der Angstzustand ebenfalls, da der Auslöser nur ganz selten auftritt und somit eine Gegenkonditionierung nicht möglich ist.
Nun könnte man sagen, daß solche Angstzustände nicht besonders eingreifend sind. Allerdings muß man dabei bedenken, daß der Hund in der Regel panikartig reagiert und in dieser Panik versucht zu flüchten. Dies kann für den Hund lebensgefährlich werden, insbesondere im Straßenverkehr. Da sich Ängste auch nicht von selber legen, sondern sich immer mit der Zeit verstärken, sollte dringend etwas dagegen gemacht werden.
Eine der Möglichkeiten ist die sog. Überflutung. Dabei wird der Hund mit immer stärker werdender Intensität dem angstauslösendem Reiz ausgesetzt, bis es zu einer apathischen Reaktion des Hundes kommt und damit im weiteren Verlauf zu einer Gegenkonditionierung, d.h. der Hund braucht mit der Zeit immer stärkere Reiz um mit Angst zu reagieren. Der große Nachteil dieser Methode ist jedoch, daß die meisten Hundeführer nicht die notwendigen Nerven haben, um diese Methode lange genug durchzuführen. Anfangs kommt es zwangsläufig zu einer Verstärkung der Angstzustände beim Hund, die sich mit Dauer der Anwendung weiter steigern, bis zum Knickpunkt. Erst wenn dieser überwunden ist, tritt eine Besserung ein. Durch die Verstärkung geben jedoch die meisten Hundeführer frühzeitig wieder auf, der Effekt ist eine weitere, bleibende Verstärkung der Angstzustände beim Hund. Meist reagieren diese Hunde dann bereits auf minimale Reize. War vorher z.B. der Schuss einer 9 mm Pistole Angst auslösend, wird nun bereits das Umlegen des Sicherungshebels zum Angstauslöser.
Sicherer und weitaus effektiver ist eine Methode, bei dem der Hund direkt mit seiner Angst konfrontiert wird. Hierzu wird die Pistole nicht mehr aus vermeintlicher Rücksicht dem Hund gegenüber vom Hund weggehalten, sondern dem Hund gezeigt und möglichst in Kopfnähe geschossen. Auch wenn dies "brutal" wirkt, so ist trotzdem auf diese Art dem Hund erstmals möglich, nachzuvollziehen was eigentlich den lauten Knall von sich gibt. Es entsteht also eine Verbindung zwischen Pistole / Schuss und Angst. Als nächstes wird darauf hin gearbeitet, dem Hund die Angst vor der Pistole zu nehmen. Die Pistole ist für den Hund etwas greifbares und nicht wie der Schuss irreal. Wie bei allen anderen Ängsten wird auch hier mit Angstreiz im Gegensatz zu einem motivierenden Reiz gearbeitet. Wird die Gewichtigkeit der Reize umgekehrt, kommt es zu einer Gegenkonditionierung. Einfach ausgedrückt: bisher war die Angst so groß, daß der Hund z.B. nicht mehr auf Futter reagieren konnte - nun wird dies umgekehrt und die Motivation zu Fressen wird stärker als die Angst vor dem Schuss.
Wie aber nimmt man dem Hund die Angst vor der Pistole? Hierbei wendet man den Fresstrieb und den Beutetrieb beim Hund an. Man schießt und wirft die Pistole weg wie wenn es sich um einen Ball handeln würde. Beißt der Hund in die Pistole ist die Angst vor dieser überwunden. Zwei miteinander konkurrierende Triebe werden hier angesprochen, wobei immer nur einer für den Hund durchführbar ist. Damit die Angst weniger wird, muß der Fresstrieb entsprechend aktiviert werden. Ein satter Hund wird weiter mit Angst reagieren - ein hungriger Hund die Angst überwinden. Allerdings muß der Hund hungrig genug sein. Es hilft also nicht, der Hund muß erst mal hungern. 2-4 Tage sollten hierfür ausreichen daß der Hunger so groß ist, daß der Hund sich in die Nähe der Pistole traut. Anfangs legt man dabei das Futter neben die Pistole damit der Hund es sich schnell holen kann. Ist dieser Puntk erreicht geht man dazu über das Futter auf der Pistole festzubinden und die Pistole ebenfalls an einer Schnur zu befestigen, damit der Hund sie nicht wegtragen kann. Der Hund wird dadurch gezwungen sich immer mehr in der Nähe des Angst auslösenden Objektes aufzuhalten und lernt gleichzeitg daß dies für ihn positiv (Futter) ist und kein Angst auslösender Reiz mehr erfolgt. Das Objekt was vorher Angst machte, kann "gebissen" werden und wehrt sich nicht. Die Angst verliert sich - die Gegenkonditionierung ist erfolgt - aus Angst wurde ein positiver Reiz.
Erst jetzt wird wieder verstärkt geschossen, weiterhin die Pistole weg geworfen und das Ganze mit immer weniger Futter. Ein Bindfaden an der Pistole, mit dem diese anschließend wie eine zuckende Beute bewegt wird, animiert den Hund diese Beute zu greifen. Letztendlich kann somit aus der Pistole genauso ein Spielzeug für den Hund werden wie ein Ball.
Einen Nachteil hat diese Methode jedoch. Da der Hund die Angst verloren hat, kann es auch dazu kommen, daß er nunmehr versuchen wird, z.B. auch Silvesterknaller zu greifen, was für ihn nicht ohne Risiko wäre. Dies allerdings kann vom Hundeführer in der Regel unterbunden werden.