Ein altbekanntes Problem, kaum klingelt es ist der Hund nicht mehr zu halten. Bellend stürzt er zur Tür und läßt sich selbst mit energischen Worten nicht mehr von der Tür entfernen. Ja es ist sogar schwierig die Tür zu öffnen, da der Hund uns dabei den Zugang zur Tür versperrt. Gelingt es uns trotzdem die Tür zu öffnen, indem wir den Hund mit einer Hand am Halsband festhalten und mit der anderen Hand die Tür öffnen, führt dies meist zu einem Raustürmen des Hundes im allgemeinen Durcheinander oder aber zu verstärkter Aggression dem Besucher gegenüber.

"Gelöst" wird das Problem von den Hundebesitzern meist dadurch, daß der Hund in einem anderen Raum eingesperrt wird, bis man den Besucher herein gelassen hat. Diese Vermeidungsstraegie führt nun keinesfalls zu einem gewünschten Erfolg sondern eher dazu, daß weitere unerwünschte Verhaltensweisen beim Hund auftreten. Meist derart, daß entweder eine gesteigerte Aggression des Hundes gegenüber den Besuchern auftritt oder aber daß diese derart stürmisch vom Hund begrüßt werden, daß dies schon wieder problematisch wird.

Wenn wir dies beim Hund ändern wollen, müssen wir uns erst einmal darüber bewußt sein, daß wir selber es waren, die dem Hund das Bellen beigebracht haben. Zwar nicht bewußt aber mit erheblicher Konsequenz.

Und jedesmal derart, das unsere Position als Rudelführer keineswegs ersichtlich war. Nicht wir waren es der agiert hat (was unsere Aufgabe als Alphatier wäre), sondern der Hund hat agiert und wir lediglich noch auf sein Verhalten reagiert (was wiederum sein Part wäre auf das Verhalte des "Chef's" zu reagieren). Durch den auslösenden Reiz "Klingel", dem Reagieren des Hundes auf dieses Klingeln, dem Zeitdruck unter den wir uns selber stellen weil wir schnell die Tür öffnen wollen und unserer inkonsequenten Haltung dem Hund gegenüber - haben wir keinesfalls als Vorbild agiert und dem Hund gegenüber damit unsere Stellung signalisiert - sondern uns hektisch, aufgeregt und vor allem unsicher verhalten. Verbunden mit dem Lernen des Hundes, daß die Klingel immer bedeutet, daß ein Rudelfremder das eigene Revier betreten wird und unserer Unsicherheit in dieser Situation, kann der Hund nicht anders agieren als die Revierverteidigung selber zu übernehmen. Zudem ist dieses Verhalten des Hundes immer erfolgsbetont.

Wieso das ? Ganz einfach, der Hund erreicht durch sein Bellen immer wieder, daß die Tür geöffnet wird und er hinaus kann, daß er als erster den Rudelfremden kontrolliert, daß ihm Aufmerksamkeit entgegen gebracht wird oder daß er den Rudelfremden vertreiben kann (der Postbote geht ja wieder während der Hund noch bellt). Diese Reaktionen von uns laufen auch hier unbewußt ab, zumindest in dem Augenblick in dem wir reagieren. Wenn überhaupt, wird uns unser Verhalten erst im Nachhinein bewußt. Oftmals ist dies nicht nur ein unbewußtes Reagieren unsererseits sondern sogar ein von uns gewünschtes Verhalten des Hundes. Ist nämlich ein z.B. Vertreter vor der Tür, den wir nun garnicht herein bitten wollen, sieht unser Verhalten dem Hund gegenüber entschieden anders als wenn es sich um einen Freund handeln würde der uns besuchen will. Dies allerdings würde uns erst dann auffallen wenn wir in beiden Situationen per Video gefilmt würden.

Hat zu Beginn beim Hund noch ein Lernprozess stattgefunden, ist das Bellen inzwischen zu einem Ritual geworden, welches nicht mehr in Verbindung mit einem Besucher stehen muß, sondern allein durch den Reiz "Klingel" ausgelöst wird. Dies ist daran zu erkennen, daß das Bellen selbst bei geöffneter Tür und gleichzeitigem Klingeln ausgelöst wird unabhängig davon, ob überhaupt jemand vor der Tür steht oder nicht, bzw. ob der Hund zuhause ist oder eine ähnliche Klingel im Fernseher oder einem anderen Ort wahrnimmt.


Das Bellen des Hundes ist in der Regel eine Übersprungshandlung, welche einfach ausgedrückt den Sinn hat aufgestaute Nervenanspannungen zu lösen, damit keine organischen Schäden hieraus resultieren. Es sollte uns also immer bewußt sein, das wir bei jeder Ausbildung des Hundes (egal ob wir dies bewußt oder unbewußt machen) auf die Psyche des Hundes einwirken.

Wollen wir dieses Bellen beim Hund in ein ruhiges Verhalten ändern, müssen wir konsequent ein ruhiges Verhalten des Hundes belohnen und das Bellen "bestrafen".

Das Problem dabei ist, daß wir selber automatisch wieder in unser altes Schema zurückfallen, sobald wir selber mit dem Reiz "Klingel" konfrontiert werden. Auch bei uns löst dieser Reiz eine erlernte Handlung aus. Zudem entsteht sofort ein gewisser Druck, da wir den Besucher nicht ewig vor der Tür warten lassen wollen.

Dieser Kreislauf läßt sich nur durchbrechen, wenn wir auch hier nicht darauf warten bis es passiert, sondern die Situation selber stellen. Das  Wissen das "es" jetzt passieren wird, ermöglicht uns ruhig und bewußt vorzugehen. Wir haben ja den Vorteil, daß unser Hund auf die Klingel reagiert, also nutzen wir ihn auch. Wenn wir selber klingeln haben wir keinerlei Zeitdruck mehr.

Wir könen also ähnlich wie beim Bellen wegen einem Stock vorgehen und nunmehr genau das Gegenteil des bisherigen Verhaltens, also das Ruhigsein, belohnen.

Hierbei ist anfangs Fingerspitzengefühl gefordert. Der Hund wird nun einmal nicht einfach ruhig sein weil wir es gerade wollen, sondern mit seinem erlernten Verhalten weitermachen, da es bisher immer zum Erfolg geführt hat. Die Zeitspanne die wir vorgeben muß also so gewählt werden, daß wir selber und der Hund einen Erfolg beim Ruhigsein haben. Erwarten wir hierbei anfangs zu viel, führt dies häufig zu einem genervten Abbruch (der für beide ein Mißerfolg und somit nicht förderlich für weitere Übungen ist) oder zu einem unbewußten Rückfall in das alte Schema. Wähernd wir also anfangs noch mit Sekunden des Ruhigseins zufrieden sind und den Hund durch Zuwendung dafür belohnen, bauen wir diese Zeitspanne im Laufe der Zeit mit Gefühl immer weiter aus.

Während sich jedoch das Üben mit dem Ball draußen abspielt und somit wenige Leute stört, sieht dies im häuslichen Bereich doch anders aus. Unsere Nachbarn werden sicherlich etwas dagegen haben, wenn wir mit dem Hund täglich an geöffneter Tür lange Zeit üben und unser Hund dabei das ganze Treppenhaus beschallt. Es ist also sinnvoll diese Übung mit einer anderen zu kombinieren, damit wir, und damit auch der Hund, schneller zu einem Erfolg kommen.

Die erste Aktion eines Hundes ist ja in der Regel nicht das Bellen, sondern das zumindest gleichzeitige Rennen zur Tür. Hier können wir nun wieder eingreifen und den Ritus durchbrechen. Zukünftig wird das Liegenbleiben oder das Gehen an einen Platz belohnt und nicht mehr das zur Tür rennen.

Für diesen Übungsaufbau brauchen wir jedoch jemanden der uns dabei hilft. Während der Helfer selber hingeht und klingelt, bleiben wir in der Nähe des Hundes und schicken ihn sofort mit der entsprechenden Konsequenz auf seinen Platz sobald er zur Tür rennen will. Schnelligkeit und ruhiges Vorgehen ist hierbei gefragt. Sind wir dabei zu phlegmatisch müssen wir uns halt mit der Leine behelfen, was wir aber möglichst vermeiden sollten um die Situation so normal wie möglich zu gestalten. Arbeiten wir ohne Leine, geht man ganz ruhig zur Tür, bringt den Hund ganz einfach wieder auf den Platz zurück und besteht darauf das er auch liegen bleibt. Zwar wird er deswegen nicht aufhören zu bellen, die Situation ist aber für uns selber wieder kontrollierbar. Wir verhalten uns dadurch auch wieder als Rudelführer indem wir auf die Einhaltung der Regeln achten und selber ruhig agieren. Zudem wird nunmehr nicht ein aggressives Verhalten des Hunde sondern genau das Gegenteil, eine unterwürfige Haltung, belohnt.

Anfangs lassen wir dabei den zusätzlichen Reiz, daß jemand kommt weg, und setzen die Klingel so oft ein wie wir dies für richtig halten. Es sollte jedoch möglichst immer dann mit dem Üben aufgehört werden, wenn der Hund das gewünschte Verhalten zeigt. Später setzen wir noch den zusätzlichen Reiz, indem unser Helfer nun auch das Zimmer betritt in welchem der Hund liegt. Doch auch jetzt muß der Hund liegen bleiben und nicht er nähert sich dem "Besuch" wenn er es will, sondern der "Besuch" nähert sich dem Hund. Später können wir dieses wieder aufheben, achten jedoch darauf, das der Hund seinen Platz erst verlassen darf, wenn wir dies erlauben.

Da es jedoch auch immer wieder einmal klingeln wird während wir noch mit dem Hund dabei sind ein ruhiges Verhalten anzulernen, müssen wir uns für diese Fälle zuvor überlegen, wie wir uns zukünftig dabei verhalten werden. Zu empfehlen ist es nach Möglichkeit auch hierbei ruhig zu bleiben und weiterhin darauf zu achten, daß der Hund liegen bleibt. Wir dürfen uns auch ruhig Zeit dafür nehmen, unser Besuch wird nicht gleich wieder weglaufen nur weil wir nicht gleich zur Tür sprinten. Wären wir auf dem "Örtchen" müßte unser Besuch auch warten. Also ruhig bleiben und konsequent auf die Einhaltung der neu aufgestellten Regeln achten.

Das Wichtigste bei diesem Umlernprozess ist, daß wir selber uns unserer Handlung bewußt sind und nicht mehr in das alte Schema der Belohnung für's Bellen zurückfallen. Dieses alte Schema hat für den Hund immer und immer wieder zum erfolg geführt, also müssen wir nun dafür sorgen, daß mit der gleichen Konsequenz nun ein ruhiges Verhalten des Hundes immer und immer wieder für ihn zum Erfolg führt. Es muß uns also ein ruhiges Verhalten genauso auffallen wie das Bellen zuvor.

Damit dies möglich ist, müssen nun auch wir lernen. Es liegt nun mal in der Natur der Sache daß Störendes viel eher wahrgenommen wird als etwas was "normal" ist. Man braucht sich nur einmal überlegen, wann man den Hund das letzte Mal für das unaufgeforderte Sitzenbleiben an der Straße gelobt hat. Es ist für uns "normal"  geworden und somit erfolgt auch keine Reaktion unsererseits. Ganz anders aber, wenn er mal nicht sitzen bleibt sondern weiterläuft. Dann reagieren wir sofort.

Nun versuchen viele ihren Hund dazu zu bringen ruhig zu sein, indem sie versuchen ihn zu beruhigen. Ein Weg der meist zu einer Verstärkung des Problems führt. Hunde verstehen nun einmal nicht den Sinn unserer Worte sondern lediglich den Tonfall. Beruhigende Worte sind aber immer vom Tonfall her lobend. Da der Hund dabei selber nicht ruhig ist, aber vom Hundeführer "lobende" Worte hört, lernt er daraus dieses Verhalten weiter zu zeigen weil es dafür belohnt wird. Ein Lernprozess der sich noch intensiver beim Verhalten des Hundes anderen Hunden gegenüber zeigt. Bestes Beispiel hierfür sind die "Aufzughunde", die von ihrem Hundeführer mit der Leine auf den Arm hochgerissen werden und dort weitertoben. Aus einer durchaus verständlichen Angst heraus, haben diese Besitzer kleinerer Hunde, ihrem Hund nichts anderes beigebracht als auf dem Arm herumzubellen, sehen das Verhalten ihres Hundes nicht mehr objektiv, loben ihn für sein Bellen und werden zudem jedes Mal weiter in ihrer ursprünglichen Angst bestätigt, da der fremde Hund nun auch auf den eigenen bellenden Hund reagiert. Dies führt dann schon so weit, daß der Hund auf dem Arm automatisch anfängt zu bellen, egal ob er den anderen Hund bereits gesehen hat oder nicht. Beide Hund und Hundeführer führen nun ein Ritual aus, das durch den Anblick eines anderen Hundes ausgelöst wird, egal ob nun ein tatsächlicher Grund noch vorliegt, der mal zu einer Angst geführt hat oder nicht. Das ganze Problem verstärkt sich, anstatt das es zu einer Lösung kommt. Beide sind in der Spirale gefangen und finden keinen Ausweg, da das Handeln nur noch rein emotional erfolgt ohne jegliche Reflektion darüber was tatsächlich passiert und welche Folge daraus resultieren.


    

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