Die Rudelhierarchie

 

die CD dazu 

grundlagen_mini.gif (2063 Byte)

Wir stellen uns eine Rudelhierarchie immer so vor, daß oben einer ist, darunter wieder einer und so weiter. Dieses System denken wir, ist zudem immer beständig und ohne Spannungen. Die Hierarchie im Wolfsrudel sieht jedoch ein wenig komplizierter aus.

Unterschieden werden muß erstens zwischen Rüden und Hündinnen. Beide bilden eine Hierarchie untereinander aus, an deren Spitze jeweils die Alphatiere stehen. Zeiten der Läufigkeit, mangelndes Futterangebot, sowie Änderung des zur Verfügung stehenden Territoriums, bringen Spannungen in dieses Gefüge.

Auseinandersetzungen um Rangpositionen werden oft sehr blutig, aggressiv und zum Teil ohne Tötungshemmung durchgeführt. Daß es in der Natur nicht zur Tötung eines abgebissenen Rudelmitgliedes kommt, liegt nur daran, daß dieser die Fluchtmöglichkeit aus dem Territorium des Rudels hat.

Kämpfe zwischen Rüden werden zwar lautstärker und eindrucksvoller durchgeführt, sind jedoch meist nur sog. Kommentkämpfe. Den Bissen fehlt die Stärke, so daß es meist nicht zu gravierenden Verletzungen kommt. Da Rüden zur Revierverteidigung und zur Erhaltung der Rangposition öfter zu Kämpfen genötigt sind als Hündinnen, hat die Natur hier einen Riegel vorgeschoben. Somit kommt es nicht bei jeder Auseinandersetzung zu Verletzungen oder Tötungen, welche letztendlich das Rudel dezimieren und somit nicht mehr überlebensfähig machen würden.

Bei Hündinnen haben sich diese Regeln nicht so stark ausgebildet. Kämpfe können hier sogar mit einer Tötung der Konkurrentin enden. Es kann sogar soweit kommen, daß ein körperlich überlegener Rüde, mangels Fluchtmöglichkeit, bei einer Auseinandersetzung mit einer Hündin von dieser totgebissen wird, da er nach bestehenden Regeln kämpft, über die er sich nicht hinwegsetzen kann, welche aber für die Hündin nicht gelten.

All dies ist der Normalfall, was nicht bedeutet, daß sich jeder Hund an diese Regeln hält. Sind andere Einflüsse mit bestimmend, werden diese Regeln außer acht gelassen. Während bei einem großen Futterangebot die Alphatiere ihre Vorrangstellung durchsetzen und diese von den Rangniedrigeren akzeptiert wird, verteidigen auch Rangniedrigere bei einer kleineren Beute diese erfolgreich gegenüber den Alphatieren.

Das Rudelgefüge ist jedoch nicht auf Macht oder körperlicher Stärke aufgebaut, sondern auf Erfahrung, Autorität und gegenseitiger Akzeptanz. Im Rudel ist jedes Mitglied gleich wichtig, auch wenn nicht jeder die gleichen Rechte hat. Nur so kann das Rudel überleben, das Revier verteidigen, Junge aufziehen oder größere Beutetiere reißen. Jedes Rudelmitglied hat individuelle Fähigkeit, die manchmal auch die der Alphatiere übertreffen. Dies wird in das Rudelgefüge konkret mit einbezogen und von den Alphatieren akzeptiert. So werden bei der Aufzucht der Jungen oft sog. Tanten, also rangniedrigere Hündinnen, bewußt von der Mutter mit einbezogen. Beim Aufspüren und der anschließenden Jagdtaktik auf größere Beutetiere wird dies noch offensichtlicher. Der abschließende Tötungsbiss findet jedoch meist durch das Alphatier statt.

Eine Revierverteidigung nur durch den Alpharüden wäre unmöglich. Hier müssen ihm auch im Rudel lebende Konkurrenten beistehen.

Im übrigen leben wir Menschen auch nicht anders. Eine Firma verfügt zwar über einen Chef, braucht aber genauso den Arbeiter und die Putzfrau um überleben zu können.

Was im Zusammenleben mit Hunden jedoch nicht vergessen werden darf (und dies täglich), ist, daß das Alphatier agiert und die anderen Rudelmitglieder darauf nur reagieren. Ein Alphatier beteiligt sich nicht an den Spielen der Rangniedrigeren, greift erst in Auseinandersetzungen ein, wenn er es für richtig hält, besteht auf seinem Liegeplatz, der ihm vorbehalten ist, usw. Bei uns ist dies oft leider nicht der Fall. Im Gegenteil, der Hund agiert und wir reagieren. Der Hund zieht an der Leine und wir folgen ihm mehr oder weniger. Der Hund geht als erster durch die Tür und wir folgen ihm. Der Hund liegt auf dem Sofa und wir müssen ihn mit mehr oder weniger Druck entfernen. Der Hund frißt als erster, dann machen wir uns etwas. Die Liste ließe sich beliebig lang fortsetzen.

Wichtig für uns ist das Verständnis dieses Rudelgefüges, um unsere Position als Rudelführer / Alphatier aufrecht erhalten zu können und unseren Führungsanspruch dem Hund gegenüber durchsetzen zu können. Sieht der Hund in uns keine Autorität (im positivem Sinne als Vorbild), ist er seiner Natur nach gezwungen, dem noch bestehendem Rudelführer dessen Position streitig zu machen, um das Überleben des Rudel gewährleisten zu können. Dieses Streitigmachen ist kein böses Verhalten des Hundes, er muß es einfach machen.

Wobei ihm bedeutend wohler wäre, er hätte ein Vorbild, welches ihm Sicherheit und Geborgenheit, und somit auch Freiheit, bietet.